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Donnerstag, 29. November 2018

Durchgelesen: Hey Siri, willst du mich heiraten?

Rezension zu Hey Siri, willst du mich heiraten? - Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen meinem autistischen Sohn und seinem Handy von Judith Newman



Verlag: Fischerverlage (Werbung gem. TMG)
Seitenzahl: 256
Format: Klappenbroschur
Preis: 14,99 Euro
Übersetzer: Andrea Kunstmann
ISBN: 978-3-596-03649-3
Abgeschlossene Erzählung








Inhalt:

In „Hey Siri, willst du mich heiraten“, erzählt die Autorin Judith Newman von ihrem Leben mit ihren zwei Zwillingssöhnen, Henry und Gus. Es ist eine Geschichte rund um eine Familie, deren Sohn Gus mit Autismus diagnostiziert wurde. Die Autorin liefert nicht nur eine autobiografische Reportage über die Entwicklung eines autistischen Kindes, sondern beleuchtet alle relevanten Aspekte zum Thema.
Das Leben mit einem autistischen Jungen ist anders. Es stellt einen einerseits vor Probleme, dann aber gibt es wieder diese besonderen Momente, die andere Mütter wohl nie erfahren werden.



Im Detail:

Judith Newmann ist fast 40, ihr Mann 69 Jahre alt, als es nach sieben Jahren und 70.000 Dollar Investitionen endlich mit einer Schwangerschaft klappt. Die kleine Familie wird nach dieser langen Zeit mit Zwillingen belohnt. Henry und Gus. Bald schon stellt sich heraus, dass die Kinder sich mit ihren Eigenarten sehr voneinander unterscheiden. Gus wirkt als Baby sehr pflegeleicht. Er fordert nichts, er ist ruhig und zufrieden. Henry hingegen ist wesentlich lebhafter.
Es wird bald klar, dass Gus Verhalten sich auch von dem anderer Kinder stark unterscheidet. Er benötigt bei Tests eine deutlich längere Reaktionszeit. Er entwickelt absolut keinen Entdeckungsdrang, hat noch keinerlei Dinge in den Mund gesteckt, auch kann er immer nur ein Nahrungsmittel auf einmal zu sich nehmen. Er duldet keine zwei verschiedenen Speisen auf seinem Teller. Mit achtzehn Monaten spricht Gus immer noch kein einziges Wort. Stattdessen ist er in der Lage, Geräusche täuschend echt zu immitieren. Gus erster Satz, der wie aus dem Nichts herausgeschossen kam, lautete: „Die Sendung Bill Nye the Science Guy wurde zu großen Teilen von der National Science Foundation, der Corporation for Public Broadcasting und Zuschauern wie ihnen finanziert.“

Nachts sorgt Gus für schlaflose Nächte. Er steigt in das elterliche Bett und knetet sämtliche Körperteile der Mutter durch. Diese Angewohnheit ist ihm, bei aller Mühe nicht abzugewöhnen. Selbst abgeschlossene Türen umgeht er mit gewissen Tricks.

Gus denkt und handelt anders als die Menschen in seinem Umfeld. Er widerholt Sätze oder Geräusche gerne immer und immer wieder, er liebt Musik und kann es gar nicht leiden, wenn jemand falsch singt. Räumliches Denken fällt ihm schwer, was dafür sorgt, dass er manchmal nur wenige Zentimeter vor seinem Gegenüber steht und ihm lautstark etwas erzählt. Auch die Aktionen in der Nacht, bei denen er den Körper der Mutter durchknetet, haben mit dem Verlust des räumlichen Denkvermögens zu tun. Er versucht mit diesem Verhalten herauszubekommen, wo sein Körper endet und der nächste beginnt.

Judith Newman stellt sich in diesem Buch, die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass eines ihrer Kinder mit Autismus geboren wurden. Dazu gibt es allerhand Thesen. Jede einzelne trifft in einem bestimmten Maße auf sie zu. Babys, die kurz nach der Geburt keine körperliche Nähe erfahren, so ist bewiesen, gehen zu Grunde. Babys hingegen, die lediglich emotional vernachlässigt werden, entwickeln oft autistische Züge. Auch das Alter, in dem Judith und John ihr Kind geboren haben, war vielleicht nicht ganz optimal. Ebenso können Körpergewicht und Ernährung der Mutter ein Grund für die autistische Entwicklung des Sohnes gewesen sein.

Neben einigen Lebensausschnitten, misslungenen Versuchen in den Urlaub zu fahren, Erlebnissen bei Ausflügen und ähnlichem, stellt die Autorin in ihrem Buch auch andere namhafte Autisten vor. Sie erklärt, warum autistische Menschen eine Vorliebe für Filmbösewichte haben und warum sie in der Musik Ruhe und Entspannung finden können.

Der Titel des Buches „Hey Siri, willst du mich heiraten“, ist ein wenig irreführend. In diesem Werk geht es, wie man vielleicht annehmen möchte, nicht in erster Linie um die Beziehung zwischen Gus und seinem Handy. Es gibt aber zwei kurze Abschnitte, in denen die Autorin erläutert, warum die virtuelle Freundin so wichtig für ihren Sohn ist.



Fazit:

Hey Siri, willst du mich heiraten?“ ist eine autobiografische Reportage über die Entwicklung eines autistischen Kindes. In dem Buch berichtet Judith Newmann vom Leben mit ihren Zwillingskindern und ihrem älteren Mann, einem Opernsänger, dessen Interessen sich stark von ihren eigenen unterscheiden.
Sie zeigt an konkreten Beispielen wie schwer es ist, als Mittlerin zwischen autistischer und nicht-autistischer Welt zu leben. Prägnant und für Laien gut verständlich wird Autismus vielgestaltig erklärt. Man erkennt schnell, dass man von Autismus - trotz zunehmender medialer Popularität – jenseits von vielen Klischees wenig weiß.
Dieses Buch ist äüßerst lehrreich, dabei sehr lebhaft und alles andere als trocken. Eine wichtige und hilfreiche Lektüre für diejenigen, die Autismus besser verstehen wollen.



Buchzitate:

Es dreht sich darum, dass Säuglinge, die vom Menschen total im Stich gelassen werden, bevor sie sich aus eigener Kraft entwickelt können, den Tod finden. Wird jedoch körperlich in einer Weise für sie gesorgt, die ihr Überleben ermöglicht, während sie in emotionaler Hinsicht im Stich gelassen oder überfordert werden, so werden sie autistisch.

Das Geräusch der Toilettenspülung war für ihn ein Elefant, der in der Schüssel saß, nach ihm griff und ihn hinunterzuziehen versuchte.



Kurzgefasst:

Mehrwert:






Aufbau:






Schreibstil:






Im Gesamtpaket:


12 Kommentare:

  1. Guten Abend liebe Tanja,

    ich hätte vermutlich nicht gerechnet, dass hinter so einem "amüsanten" Titel, so eine ernste und auch irgendwie tragische Geschichte steckt. Das Buch weckt auf jeden Fall meine Neugier.
    Von der Theorie bzgl. den Babys wie sie sich entwickeln- abhängig wie man sich um sie kümmert habe ich schon viel gehört und auch eine Reportage davon gesehen. Ein sehr spannendes Thema.
    Danke für die Vorstellung.
    Liebe Grüße und einen tollen Abend
    Andrea ♥

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    1. Hallo Andrea,
      ich habe auch eher mit einer locker-leichten und humorvollen Geschichte gerechnet und dann war es sogar ein Erfahrungsbericht. Die Autorin berichtet aus ihrem Alltag und auch da gibt es einige humorvolle Stellen. Das Buch ist zugleich aber auch lehrreich und bewegend geschrieben.

      Nur von Siri liest man eher weniger. Ich fand den Titel im Nachhinein etwas irreführend.

      Das Buch kann ich dir aber sehr empfehlen. :o)

      Ganz liebe Grüße
      Tanja :o)

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  2. Hallo Tanja,
    das Buch hört sich sehr interessant an. Allerdings muss ich meiner Vorrednerin anschließen, denn auch ich finde den Titel irreführend. Ich dachte im ersten Moment an ein Comedy-Buch.

    Eine Freundin von mir hat ein Kind mit leicht autistischen Zügen. Da würde das Buch auch sehr gut passen.

    Und das mit den abgebrochenen Urlauben kenne ich aus eigener Erfahrung...

    Das Buch merke ich mir auf alle Fälle vor.

    Viele Grüße,

    Steffi

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    1. Hallo Steffi,
      ja, ich bin bei dem Titel auch von einem ganz anderen Inhalt ausgegangen. Auch, wenn die Geschichte weder viel über die Beziehung zwischen Gus und Siri berichtet, noch eine fiktive Erzählung ist, so war das Buch sehr interessant.

      Ich selbst kenne niemanden mit autistischen Zügen, daher fehlen mir natürlich die Vergleiche. Durch das Buch hatte ich das Gefühl einiges über Autismus gelernt zu haben. Ich bin sehr gespannt, was du darüber berichten wirst, wenn du den Inhalt mit deinen Erfahrungen vergleichst.

      Ganz liebe Grüße
      Tanja :o)

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  3. Huhu Tanja,

    mir ist der Buchtitel bereits einige Male ins Auge gestochen. Ich muss aber zugeben, dass es mich bisher nicht wirklich neugierig machen konnte. Allerdings habe ich dahinter auch eine ganz andere Geschichte erwartet.

    Deine Rezension macht wirklich sehr neugierig auf das Buch. Autismus ist für die Meisten kein unbekannter Begriff, doch kenn ich mich zumindest nicht in die Tiefe mit dem Thema aus. Dass die Autorin aus ihrem Leben berichtet, sich mit Autismus sehr stark auseinandergesetzt hat und auch noch bekannte Autisten mit in ihre Geschichte verwickelt, spricht mich sehr an. Vielen Dank für die schöne Vorstellung. <3

    Ganz liebe Grüße
    Leni =)

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    1. Huhu Leni :o)

      Wirklich? Ich habe das Buch irgendwie noch auf keinem anderen Blog entdeckt. Da muss ich gleich mal stöbern gehen und schauen, was andere darüber zu erzählen haben.

      Ich bin auch, das muss ich zugeben, mit völlig anderen Erwartungen an das Buch herangetreten. Aber trotz einer ganz anderen Geschichte, fand ich es richtig gut.

      Mir war Autismus auch nur durch Romane, wie "Das Rosie-Projekt" oder diverse Filme ein Begriff. Umso interessanter empfand ich es, ein Buch von jemandem zu lesen, der in seinem Leben schon eigene Erfahrungen damit gemacht hat.

      Ganz liebe Grüße
      Tanja :o)

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  4. Hallo Tanja,

    im Alltag bin ich bisher noch mit keinem Autisten in Berührung gekommen, jedoch hatte ich mal ein Buch gelesen, in dem ein autistischer Junge Zeuge eines Mordes wurde und dank seinem ausgezeichneten Verständnis für Computer der Polizei versuchte zu helfen. Von meiner Frau, die hier mehr Erfahrung im Umgang mit Autisten hat, weiß ich, dass sie aber etwas Besonderes sind.

    Die "Eigenarten" der Menschen (ohne dies negativ zu meinen!) sind sehr vielschichtig und für uns gesunde nur schwer bis gar nicht nachzuvollziehen, daher finde ich es gut, dass die Autorin hier eine Autobiografie zu diesem Thema geschrieben hat. Die von ihr beschriebenen Dinge, die für Gus wichtig sind und für ihn sicherlich auch eine gewisse Routine und Geborgenheit darstellen, sind für die Mutter und die Familie nur sehr schwer zu verstehen. Man muss bereit sein, sich auf diesen Mensch einzulassen und sich dabei bewusst zu sein, immer für ihn da zu sein, da sie hilfsbedürftig sind. Diese Hilfe ist - leider - in unserer heutigen Gesellschaft aber nicht gewünscht und so haben die betreffenden Personen sehr darunter zu leiden.

    Ein Thema was sicherlich sehr bewegt und mir gefällt, was du darüber geschrieben hast.

    Liebe Grüße,
    Uwe

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    1. Hallo lieber Uwe,

      vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Ich kann deine Worte so nur unterschreiben. Ich denke auch, dass Autisten es oft nicht einfach haben. Eben weil sie in einigen Dingen eine andere Wahrnehmung haben.

      Ich selbst kenne, zumindest, soweit ich das weiß, niemanden mit Autismus. Ich kenne Autismus eben auch nur aus Büchern und aus Filmen. Oft werden die Charaktere so beschrieben - und die Autorin bestätigt das auch noch mal in ihrem Buch - dass sie sich auf ein Gebiet ganz besonders konzentrieren. Daher sind sie darin oft sehr talentiert.

      Gus ist ein unglaublich lieber und netter Mensch. Er sieht in jedem Menschen erstmal einen Freund. Er unterscheidet da nicht großartig. Allerdings versteht er schon, wenn jemand bösartige Züge hat. Das ist dann für ihn ein "Schurke" (Vergleiche zieht er da zu bekannten Schurken aus Film und Fernsehen). Aber grundsätzlich grüßt er jeden, unterhält sich mit jedem und ist jedem gegenüber aufgeschlossen.
      Er würde sich z.B. auch nicht von Äußerlichkeiten abschrecken lassen. Das spielt für ihn keine Rolle. Während Menschen ohne Autismus sehr wohl vielleicht erstmal auf Oberflächlichkeiten reagieren würden.

      Ganz liebe Grüße
      Tanja :o)

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  5. Hallo liebe Tanja

    Das Buch habe ich mir schon einige Male angeschaut und deine liebenswerte Rezension hat mich definitiv dazu bewogen, es auf meine Wunschliste zu setzen, vielen Dank dafür.

    Alles Liebe dir
    Livia

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    1. Hallo Livia,
      oh, das freut mich sehr, dass meine Rezension deine Neugierde auf das Buch bestärkt hat.

      Ich habe die Geschichte von Gus und seiner Familie sehr gerne gelesen. Ich bin sehr gespannt, was du dazu sagen wirst.

      Ganz liebe Grüße
      Tanja :o)

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  6. Huhu Tanja,

    das klingt ja mal toll. Der Titel macht schon neugierig und ich bin erstaunt, was für eine Geschichte dahinter steckt. Das Buch landet sofort auf meiner Wunschliste. :)
    Eine echt tolle Rezension, die sehr neugierig macht.

    Liebe Grüße

    Sunny

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    1. Hallo Sunny,
      ich war ja überrascht, weil ich gedacht hatte, dass es sich bei dem Buch um eine fiktive Geschichte handelt. Die Autorin schreibt hier aber die Erlebnisse aus ihrem eigenen Leben auf. Ich fand das Buch sehr informativ,sehr interessant und zugleich auch noch sehr unterhaltsam.
      Ich finde es hat definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient.

      Ganz liebe Grüße
      Tanja :o)

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