Donnerstag, 2. Oktober 2025

Durchgelesen: Das Seelenhaus

Rezension zu Das Seelenhaus von Hannah Kent


Verlag: Droemer Knaur
Seitenzahl: 384
Format: Taschenbuch
Preis: wird zur Zeit nicht mehr verlegt
Übersetzer: Leonie Reppert-Bismarck
Altersempfehlung des Verlages: Jahre
ISBN: 978-3426199787
Abgeschlossene Erzählung 



Inhalt:


Island im Jahre 1828: Agnes Magnúsdóttir wird gemeinsam mit einer weiteren Frau und einem Mann des Mordes an zwei Männern beschuldigt.

Die drei Angeklagten werden an verschiedene Orte verbracht. Agnes wird auf den Kornsáhof im selben Landkreis gebracht, in dem die Tat geschehen ist. Dort soll sie, bis zu ihrer Hinrichtung, im Haushalt einer Familie mit zwei erwachsenen Töchtern leben und arbeiten.

Auf dem Hof wird Agnes, im Vergleich zu dem, was sie zuvor erlebt hatte, gut behandelt, dort hat man sich irgendwie ein wenig Menschlichkeit bewahrt. Die Familie ist zwar alles andere als begeistert, eine verurteilte Mörderin aufzunehmen, doch sie bekommt ein Bett, wird zum Baden gezwungen und erhält regelmäßig Mahlzeiten. Umgekehrt muss sie hart arbeiten, etwas, das sie gewohnt ist und das sie zugleich von ihren düsteren Gedanken ablenkt.

Kurz vor ihrer Überstellung auf den Hof bittet Agnes um einen neuen Seelsorger: namentlich den jungen Pfarrvikar Thorvadur Jónsson. Anfangs scheint dieser überfordert und erwägt sogar, die Segel zu streichen. Doch mit der Zeit entwickelt sich zwischen ihm und Agnes eine Art Vertrautheit. Stück für Stück erzählt sie ihm ihre Geschichte, Schritt für Schritt eröffnet sich dem Leser ein Szenario, welches den vermeintlichen Tathergang überwölbt und - so hofft man anfangs - folgenreiche Konsequenzen birgt.



Meinung:


Mit „Das Seelenhaus“ erzählt Hannah Kent eine fiktive, aber gründlich recherchierte Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht. Die Autorin greift die Lebensgeschichte von Agnes Magnúsdóttir auf, der letzten Frau, die in Island hingerichtet wurde.

Besonders spannend fand ich den Hinweis im Nachwort, dass Agnes in vielen historischen Berichten sehr einseitig dargestellt wurde. Als „unmenschliche Hexe“, die den Mord angeführt habe. Kent aber versucht, die historische Figur zu rehabilitieren und und zeigt die Vielschichtigkeit der Deutungsmöglichkeiten ihrer Biografie.

Die Erzählung wechselt zu Beginn zwischen verschiedenen Figurenperspektiven. Besonders prägnant tritt der Landrat Björn Andunsson Blöndal hervor, der von Anfang an unsympathisch wirkt: wohlhabend, arrogant, undurchsichtig. Im Kontrast dazu stehen die Mitglieder der Familie vom Kornsáhof. Die beiden Töchter könnten kaum unterschiedlicher sein: Lauga meidet Agnes, während Steina nach und nach vorsichtig Kontakt zu ihr aufnimmt. Ihre Mutter Magrét wiederum imponierte mir besonders: streng, pragmatisch, aber auch gerecht und mitfühlend. Eine Frau, die Verantwortung übernimmt und das Herz am rechten Fleck hat. Ihr Mann Jón bleibt eher blass im Hintergrund.

Einen zentralen Platz nimmt Pfarrvikar Tóti ein. Als Agnes’ Beistand wächst er an seiner Aufgabe. Zunächst unsicher und überfordert, gewinnt er mit der Zeit an innerer Stärke. Gerade seine Zweifel und seine Menschlichkeit machten ihn für mich sehr sympathisch.

Überhaupt lebt das Buch stark von den Innenansichten seiner Figuren. Vor allem von Agnes selbst. Ihr schweres Leben, die Verlassenheit in der Kindheit, der ständige Kampf ums Überleben, und ihre komplexe Beziehung zu Natan, einem der späteren Mordopfer, werden eindringlich geschildert.
Dabei schwankt der Leser zwischen Mitleid, Bewunderung und tiefer Betroffenheit.

Während des Lesens war ich regelrecht gefesselt. Doch gleichzeitig blieb ein beklemmendes Gefühl: das Wissen, dass Agnes’ Schicksal unumstößlich ist. Besonders erschütternd fand ich, wie sehr die Menschen in ihrer Umgebung überzeugt waren, die Wahrheit über ihr Leben und die Tat zu kennen, obwohl ihr vermeintliches Wissen sich nur aus einer Aneinanderreihung wilder Mutmaßungen und unmotivierter Gefühlsschwankungen speist. Umso stärker berührte mich Tótis Versuch, zuzuhören, Verständnis zu zeigen und Vorurteile beiseite zu lassen.



Fazit:


Hannah Kent hat mit „Das Seelenhaus“ einen Roman geschaffen, der tief bewegt und lange nachhallt.

Die Geschichte ist keine leichte Kost. Sie ist bedrückend, schockierend und zugleich voller leiser Momente von Menschlichkeit. Gerade die Verbindung von historischen Fakten und literarischer Fiktion macht das Buch so ergreifend. Es regt zum Nachdenken an. Über Schuld und Unschuld, über Gerechtigkeit und gesellschaftliche Vorurteile, und darüber, ob ein Mensch mehr ist als die als Summe seiner Taten oder Untaten.

Ein stilles, kraftvolles Buch, das unter die Haut geht.



Buchzitate:


Verbrecherin. Das Wort hängt in der Luft. Schwer und unverrückbar, selbst für kräftige Böen.



Kurzgefasst:


Spannung/Action: 



Liebe/Freundschaft/Emotionen: 

Charaktere: 


Setting/Worldbuilding: 



Handlung: 



Schreibstil: 


Im Gesamtpaket: 



1 Kommentar:

  1. Liebe Tanja

    Das Buch ist mir schon einige Male begegnet und ich finde sehr spannend, was du zur Atmosphäre und zu den Figuren schreibst.

    Ich merke mir die Geschichte auf jeden Fall einmal vor.

    Alles Liebe
    Livia

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