Rezension: Wenn du dich traust von Kira
Gembri
Verlag: Arena
Seitenzahl: 336 Seiten
Format: Hardcover
Preis: 14,99 Euro
ISBN:
978-3-401-60149-6
Altersempfehlung
des Verlages: Ab 14 Jahren
Inhalt:
Fast wäre Leas Bruder gestorben.
Während Lea in der Küche nicht davon ablassen kann, den Schalter
des Herdes zu betätigen, schreit dieser in einem anderen Zimmer vor
Schmerzen. Es ist der Blinddarm, diagnostizieren die Eltern, die
gerade noch rechtzeitig in die Wohnung kommen. Lea ist als Babysitter
nicht zu gebrauchen und muss in Behandlung - so lautet die zweite
Diagnose.
Während Lea also in einer Klinik
lernen soll, ihre Kontrollzwänge zu beherrschen, dealt Jay mit
Drogen, um die vererbten Schulden seines Vaters zu tilgen. Dieses Mal
läuft es jedoch schief und Jay wird zu Sozialstunden in einer
psychiatrischen Klinik verurteilt. Allerdings ist sein Gläubiger
wütend und die Rückführung der Schulden duldet keinen Aufschub
mehr. Da kommt es Jay sehr Recht, dass der Klinikleiter gerade das
Geld zählt. Mit einem Trick gelangt er an die Scheine, doch
plötzlich steht da ein Mädchen in der Tür und droht ihn auffliegen
zu lassen.
Doch Lea möchte Jay gar nicht
verraten. Sie hat ganz andere Pläne. Sie möchte aus der Klinik
ausbrechen, aber sie kann nicht zu ihren Eltern, darum bietet sie Jay
einen Deal an: Jay soll ihr helfen aus der Klinik zu fliehen und sie
bei sich daheim unterbringen.
Beide ahnen noch nicht, was genau sie
erwartet, doch eins ist gewiss: Lea und Jay könnten
unterschiedlicher nicht sein. Eine liebt die Ordnung und braucht
Kontrolle, der andere lebt zwar einerseits im Augenblick,
andererseits aber auch im Chaos.
Wichtigste Charaktere:
Lea liebt die Ordnung, sie braucht
Kontrolle über ihr Leben. Wenn sie die Kontrolle verliert, beginnt
sie zu zählen. Sie zählt die Bücher im Regal, mit der Hoffnung,
dass eine grade Anzahl darin steht, sie zählt die Knöpfe ihrer
Bluse und kontrolliert den Herd, indem sie immer wieder den Schalter
dreht. Beim Autofahren betet sie ohne Unterlass, um zu verhindern,
dass ihr etwas Schlimmes widerfährt.
Jay ist ein Drogendealer, nach dem
Auszug aus der betreuten WG ist er mit seinen Kumpels Flocke und Alex
in eine eigene Wohnung gezogen. Jay sagt, was er denkt und nimmt
keine Rücksicht darauf, ob er dabei andere Menschen verletzt. Gerne
schleppt er das ein oder andere Mädchen nach einer Party ab. Eine
feste Freundin ist ihm ein Graus.
Schreibstil:
Kira Gembri erzählt ihren Roman
jeweils aus dem Gesichtskreis ihrer beiden Protagonisten. Der Leser
verfolgt einerseits in Kapiteln das Leben von Jay und andererseits
begleitet er Lea durch ihre Gedanken.
Gerade Jay sorgt dafür, dass ein
dreckiger Ton den Roman durchzieht. Er ist cool und - im
patriarchalischen Sinn - männlich, was es zu kommunizieren gilt.
Daher spricht er abwertend über Frauen und Menschen wie Lea.
Lea, die mit ihren Ticks eigentlich ein
ideales Opfer für Jay darstellt, weiß sich zu wehren und schafft im
Zusammenspiel mit Jay so Dialoge, die einfach goldig sind. Dennoch
kann sie nicht aus ihrer Haut. Die Angst, die Kontrolle über die
Situation zu verlieren, beherrscht sie durch und durch. In
schwierigen Situationen verliert sie sich im Zählen.
Kira Gembri greift das Thema
Kontrollzwang nicht nur oberflächlich auf. Sie weckt Verständnis
beim Leser. Sie zeigt, dass der Betroffene selbst
weiß, dass sein Handeln sein Leben einschränkt. Auch wenn Lea ahnt
und, spätestens als Jay es ihr direkt ins Gesicht sagt, auch weiß,
dass die von ihr befürchtete Situation mit aller Wahrscheinlichkeit
nicht eintreffen wird, kann sie ihre Rituale nicht einstellen. Hier zeigt sich, wie viel
Kraft das Unbewusste hat und wie es uns beherrscht. Der
Mensch kann zwar tun,
was er will,
aber
er kann nicht wollen,
was er will.
Jay möchte Lea nicht helfen. Er möchte
sie loswerden. Die Worte, die er ihr an den Kopf wirft, sind oft
verletzend. Es ist nicht einfach zwei so grundsätzlich
unterschiedliche Charaktere zueinander zu führen und dennoch schafft
es die Autorin in glaubwürdiger Weise.
Lea schafft es mit Jay ihren
Kontrollzwang zu durchbrechen. Er lässt sie gewähren, bringt sie
aber in ein derartig chaotisches Leben, dass ihre Zwänge einfach
hintanstehen müssen.
Wenn die Polizei im Gang steht, dann
hilft vielleicht ein Kuss, um Lea von den Schaltern, die sie
beherrschen, abzulenken? Wenn Jay sturzbetrunken umzufallen droht und
eine Alkoholvergiftung zu befürchten steht, dann kann Lea nicht erst
über das Zählen nachdenken; sie muss ihn festhalten, bevor er
torkelnd auf den Boden fällt.
Fazit:
Über den rauen Umgangston muss der
Leser hinwegschauen, dann erhält er eine Geschichte mit einem Thema,
welches die Autorin gut zu beleuchten weiß: Es gibt Menschen, die
versuchen die Kontrolle zu bewahren, indem sie Dinge zählen. Was sie
bewegt und wie schwer es ist, dieses Schema zu durchbrechen, wie sehr
die Betroffenen selbst daran leiden, dass erfährt der Leser in
diesem Roman.
Mit den sehr unterschiedlichen und
charakterlich sehr ausgeprägten Jugendlichen Lea und Jay schafft
Kira Gembri Spannung, humorvolle Dialoge, sie verletzt und versöhnt.
Wenn du dich traust ist ein Roman, der
Gefühle weckt, der ein sehr interessantes Thema durchleuchtet und
einfach nur Spaß macht. Absolute Leseempfehlung!
Buchzitate:
Habe ich vorhin schon gedacht, die
Situation wäre riskant? Armes, naives Vor-fünf-Minuten-Ich.
Mechanisch zähle ich die
Tropfen, die in Jays Wimpern hängen.
Die verflixte Kamera! Warum,
warum nur sind meine Zwänge so nachtragend?
„Was brauchst du?“,
frage ich knapp. „Hey, schau mich an. Was muss passieren, damit du
hier rauskommst?“
Kurzgefasst:
Spannung/Action:
Liebe:
Charaktere:
Handlungsstrang:
Schreibstil:
Im Gesamtpaket:
Ich
danke dem Verlag recht herzlich für die Zurverfügungstellung dieses
Rezensionsexemplares.
Huhu Tanja,
AntwortenLöschenich freue mich ja so, dass dir dieses Buch auch so gut gefallen hat!! =)) Du hast eigentlich schon alles gesagt, was es zu diesem Buch zu sagen gibt und deine Zitate finde ich wirklich klasse gewählt. Vor allem die Erwähnung der Kamera! Die ist doch total zum Kult geworden in diesem Buch oder? =)) Du hast dieses Buch sogar noch als Rezensionsexemplar erhalten! *o* Das freut mich total für dich!! =))
Ganz liebe Grüße
Leni =)
Hallo Leni,
Löschenals wir uns über das Buch unterhalten haben und du die Kamera erwähntest, da wurde sie in der Geschichte zwar schon erwähnt, aber noch nicht so explizit. Im Nachhinein verstehe ich deine Aussage über das Kameraritual natürlich viel besser :o)
Ich habe das Buch gestern auch in einer Buchvorstellung vor Ort vorgestellt. Ich glaube es kam sehr gut an. Vorgelesen habe ich die Stelle, als Lea in die Wohnung eingezogen ist und die Jungs Panik geschoben haben, welche Konsequenzen der Einzug eines Mädchens in die WG bedeutet. Lea hat da eiskalt die Anzahl der Tampons, die ein Mädchen so im Durchschnitt verbraucht rausgehauen. Kannst du dich noch an diese Szene erinnern?
Da mussten alle etwas lachen ;o)
Vielen Dank für deine lieben Worte :o)
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Sehr schön Deatils zu dem Buch hast du geschrieben und mit einer Begeisterung! Top!
AntwortenLöschenIch werde mir mal das Buch auch kaufen :)
Espresso grüße ´Prost´
Hallo Espressojunkie,
Löschenvielen lieben Dank für deine netten Worte. Das Buch kann ich dir nur ans Herz legen. Ich denke du wirst eine schöne Zeit mit der Geschichte verbringen.
Herzliche Kaffeegrüße auch an dich
Tanja :o)