Rezension zu All die Finsternis inmitten der Sterne von Bryn Greenwood
Seitenzahl:
512
Format:
Gebunden, mit Schutzumschlag in Lederoptik und Leseband
Preis:
22,99 Euro
Übersetzer:
Simona Turini
ISBN:
978-3-86552-755-4
Abgeschlossene
Erzählung
Inhalt:
Doch während Amys Bewunderung für die merkwürdige Cousine wächst, verzweifeln ihre Pflegeeltern immer mehr an dem Kind. Wavy wird dabei ertappt, wie sie aus dem Mülleimer isst, sie trennt die Nähte jedes neugekauften Kleides auf. Als sie Ärger dafür bekommt, widmet sie sich den Nähten der Vorhänge. Alles eskaliert, als Wavys kleines Geheimnis auffliegt. Nachts schleicht sie sich, seit neuestem auch in Begleitung von Amy, aus dem Hause. Sie dringt in fremde Wohnungen ein, klaut und versteckt dort Gegenstände.
Amys Eltern fühlen sich mit dem seltsamen Kind überfordert. Sie haben Angst, dass die eigenen Kinder dessen Verhalten adaptieren. Eine Trennung ist daher unausweichlich. Zurück zu den Eltern kann das Mädchen nicht. Denn beide befinden sich wegen Drogenhandels im Gefängnis. Auch eine Pflegefamilie ist keine Option. Das verhaltensauffällige Kind würde vermutlich von einer Familie zur nächsten weitergegeben werden. Für Wavys Großmutter ist klar, dass sie sich um die Enkelin kümmern wird. Wavy bleiben weitere Schicksalsschläge nicht erspart. Das „normale“ Leben, die Leichtigkeit des Alltags, kommt Wavy schnell wieder durch eine Krebserkrankung der Großmutter abhanden. Die Großmutter musste eine Entscheidung treffen, was mit ihrer Enkelin passieren sollte. Sie traf die einzige Entscheidung, die ihr halbwegs sinnvoll erschien: Wavy sollte zurück zu ihren Eltern, die jüngst aus dem Gefängnis entlassen worden sind. Damit ist Wavy zwar noch nicht am Tiefpunkt angelangt, aber auf dem besten Weg dahin.
Im Detail:
Mit
Wavy stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Das Kind ist traumatisiert,
unentwickelt, verantwortungslos, unsicher, verängstigt und
ungeregelt. Sie ist eine Geisel ihrer
Vergangenheit.
Schon von klein auf wurde Wavy von ihrer drogenabhängigen Mutter
eingetrichtert, dass sie schmutzig ist. Die Mutter selbst litt unter
einem sehr starken Sauberkeits-/Hygienewahn.
Wavys
Vater Liam hingegen war ein Drogendealer mit einem eigenen Methlabor.
Statt die Zeit mit seiner Frau Val zu verbringen, gab er den Don Juan
des Trailerparks. Wavy erlebte ihren Vater stets als rücksichtslos,
unkontrolliert und gewalttätig.
Ganz
allmählich entfaltet sich dem Leser unter beiläufigen Anekdoten das
Bild einer schrecklichen
Kindheit.
Wavys Großmutter, ja sogar ihre Cousine Amy, zeigten ihr erstmalig
menschliche Wärme
in einer Welt, in der kein Charakter frei von Makeln schien.
Mit dem Rausschmiss
der Tante und dem Verlust der Großmutter, musste Wavy sich also
eingestehen, dass sie wieder da gelandet war, wo sie angefangen
hatte. Dass das Leben eben keine Gnade zeigt und dass jeder für sein
eigenes Überleben verantwortlich ist.
Und dann schlug das
Schicksal erneut zu. Eines Tages verunglückte ein „Kollege“
ihres Vaters auf der Straße mit dem Motorrad. Wavy war gezwungen
Hilfe zu holen und das war der Zeitpunkt, als sich Kellen und Amy das
erste Mal begegneten.
Kellen war gut 10
Jahre älter als Wavy. Optisch nicht gerade ansprechend, mit dickem
Bauch, verdreckter Kleidung und einem Goldzahn im Mund. Doch mit
einem großen Herz in der Brust wurde Kellen schon bald zu Wavys
Vertrautem. Kellen sorgte sich im Gegensatz zu Wavys Eltern und ihrem
Umfeld um das Mädchen, das gelernt hatte, selbstständig den
Haushalt zu schmeißen, der Mutter in den „schlimmen Phasen“ aus
dem Weg zu gehen und irgendwie zu überleben. Er brachte sie zur
Schule, hörte sich das an, was die Lehrer über das seltsame Mädchen
zu sagen hatten und half ihr, wenn zu Hause die Welt einzustürzen
schien. Er rettete sie vor den gewalttätigen Eltern und schenkte ihr
ein paar Momente für die es sich zu Leben lohnt.
Die Bindung
zwischen Kellen und Wavy wuchs über die Zeit hinweg. Ich hätte mir
gewünscht, dass es bei einer engen Freundschaft bleiben würde.
Doch, wie auch das Leben selbst, ist auch der Roman sehr
unberechenbar gewesen.
Bryn Greenwood
schreibt mit "All der Finsternis inmitten der Sterne" eine Geschichte,
die zutiefst berührt. Es ist ein Buch über Freundschaft, es ist
eine Geschichte über eine Liebe, die nicht sein darf und sollte. Der
Leser wird gezwungen sich mit unbequemen Fragen auseinanderzusetzen.
Was wünscht man sich für dieses Mädchen? Wer ist in diesem Buch
Opfer, wer ist Täter?
Es ist
keine Geschichte für Leute mit dünner Haut und schwachen
Nerven. Das Buch ist
Literatur,
die wirklich weh tut und die man, wenn man schwache
Nerven hat, nicht länger
als fünf Minuten erträgt.
Fazit:
Bryn
Greenwood erzählt vom Schicksal in schlimmer Gestalt. Die
Protagonistin muss eine ganze Reihe von Schicksalsschlägen
bewältigen. Eine Dosierung scheint zwingend, denn der Leser
stößt bald an Grenzen
der Belastbarkeit.
Irgendwann stellt
man sich die Frage: Gibt es einen Hoffnungsschimmer? Nur an wenigen
Stellen werfen kleine Highlights einen gnädigen Schleier über die
alltägliche Trostlosigkeit, die Wavys Leben dominiert. Und genau
darin liegt der innere Antrieb, den Roman nicht beiseite zu legen,
weiter zu suchen nach dem Sonnenstrahl, der das Elend durchbricht.
Buchzitate:
Ich hattte die Hand schon am
Türknauf und war halb draußen, da ließ mich das Durcheinander in
der Küche innehalten. Lebte das kleine Mädchen in diesem Dreck?
Ich fuhr mit dem Gefühl
davon, sie am Tor zur Hölle abgesetzt zu haben.
Kurzgefasst:
Spannung/Action:
Charaktere:
Handlungsstrang:
Schreibstil:
Im Gesamtpaket:
Huhu liebe Tanja,
AntwortenLöscheneine sehr schöne Rezension zu einem anscheinend sehr bedrückenden Buch. Ich kann allerdings total verstehen, warum das Buch einen Lesesog auf dich ausgeübt hat. Bei all den schlechten Dingen sucht man einfach nach dem kleinen Hoffnungsschimmer am Firmaments.
Liebe Grüße
Sandra
Hallo liebe Sandra,
Löschendie Geschichte hat wirklich einige Emotionen bei mir freigesetzt. Ich war mir anfangs nicht sicher, ob es mir gelingen würde, eine Rezension zu verfassen, die dem Buch gerecht werden würde. Ich denke man muss diese Geschichte lesen, um alle Fazetten in sich aufnehmen zu können.
Ich fand die Umsetzung der Geschichte unglaublich gut. Die Geschichte erschien mir sehr realistisch. Ich habe dir ja schon ein wenig mehr darüber berichtet :o)
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Hallo liebe Tanja,
AntwortenLöschenpuh, die Geschichte klingt richtig heftig und definitiv nach einer anspruchsvollen Lektüre. Wavy tut mir richtig leid, es ist echt schrecklich, wenn ein Kind so viel erleiden muss.
Liebe Grüße,
Ally
Hallo liebe Ally,
Löschendie Geschichte war wirklich sehr heftig. Aber zugleich auch verdammt gut umgesetzt. Man hat das Gefühl, dass die Geschehnisse so in der Art auch wirklich passiert sein könnten. Es wurde nichts verschönigt. Wavy war ein unglaublich starker Charakter. Das Mädchen musste so viel über sich ergehen lassen und zugleich hat sie unglaublich viel Stärke gezeigt. Sie war für ihr Alter extrem erwachsen. Was man bei ihrer Vita aber auch gut nachvollziehen konnte.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Hallo liebe Tanja,
AntwortenLöschendie Handlung ist richtig heftig und mir tut das Kind schrecklich leid. Ich denke, dass das Lesen der Geschichte nicht einfach ist und ich weiß nicht, ob ich es hätte lesen können. Vor allem, wenn man bedenkt, dass dieses leider bittere Realität in vielen Familien ist.
Liebe Grüße,
Uwe
Hallo Uwe,
Löschendie Geschichte ist wirklich nicht ohne. Gerade, weil die Geschehnisse auch sehr glaubhaft präsentiert werden. Ich würde das Buch auch nicht an jeden weiterempfehlen. Ich glaube die Entscheidung, ob man das Buch lesen möchte oder nicht, muss jeder für sich selbst treffen.
Handwerklich ist es für mich aber ein Meisterwerk.
Ganz liebe Grüße
Tanja