Mittwoch, 21. Oktober 2020

Durchgelesen: Cleanland

Rezension zu Cleanland von Martin Schäuble


Verlag: KJB (Fischerverlage) (Werbung gem. TMG)
Seitenzahl: 208
Format: Hardcover
Preis: 14,00 Euro
Altersempfehlung des Verlages: Ab 12 Jahren
ISBN: 978-3-7373-4257-5
Abgeschlossene Erzählung






Inhalt:


Cleanland ist das Science-Fiction-Szenario einer Gesundheitsdiktatur.

Die fünf Gesetze der absoluten Reinheit (GaR) sorgen für Gesundheit und Sauberkeit in Cleanland. Schilo trägt, wie jeder andere auch, täglich einen Schutzanzug und einen Controller, der rund um die Uhr ihren Herzschlag, den Blutdruck und die Körpertemperatur misst. Das Gesetz sieht vor, dass jeder Bewohner eine Person registrieren darf, die zwar nicht zur Familie gehört, mit der man aber dennoch seine Freizeit verbringen darf. Schilo hat sich dafür entschieden, ihre beste Freundin Samira hierfür zu qualifizieren.

Gemeinsam verbringen Samira und Schilo ihre Tage miteinander. In diesen Zeiten ist man zurückgeworfen in die eigenen vier Wände. Für die Schule nutzen sie Homelearning, was Social Distancing ermöglicht. Sie gehen in einer Discothek feiern (eine für eine bestimmte Zeit angemietete Tanzfläche sorgt für genügend Abstand zu anderen Menschen) und sie tauschen auch ihre Sorgen und Ängste miteinander aus. Während Samira schon mal kleine Regeln der GaR bricht, hält sich Schilo streng an die Vorgaben des Systems. Schließlich arbeitet ihre Mutter im Ministerium für Reinheit.

Doch eines Nachts ändert sich das. Denn Schilo erwacht mitten in der Nacht und lernt den Cleaner kennen, der für die elterliche Wohnung zuständig ist. Das Erlebnis einen anderen Menschen kennenzulernen, ist aufregend. Als dann auch noch die Oma immer wieder das Gespräch auf den jungen Mann richtet, der des nachts die Zimmer desinfiziert, gerät Schilo ins Nachdenken. Sie überlegt, die streng vorgeschriebene Einnahme der Schlaftabletten auszusetzen. Und das ist nur der Anfang einer Reihe von Ereignissen, die Schilos heile Welt ins Wanken bringen. Ist das System vielleicht doch nicht so perfekt, wie sie immer gedacht hat? Was würde eine Veränderung herbeiführen und was würde eine kleine Rebellion für Folgen haben?


Meinung:


Ist das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ein absoluter Wert, der über allem steht? Oder beschränken Grundrechte sich gegenseitig?

Mit „Cleanland“ widmet sich Martin Schäuble diesem in diesen Zeiten der Pandemie brandaktuellen Thema.

Ein Gemeinwesen muss, das hört man zur Zeit vielerorts, an der absolut geltenden Schutzpflicht für Menschen festhalten.

In dieser fiktiven Geschichte spinnt der Autor das Szenario weiter. Er stellt ein totalitäres System zur Schau. Die Bewohner tragen rund um die Uhr einen Schutzanzug - den Protector - und einen Controller, der nicht nur in der Lage ist, die tägliche Gesundheit und Fitness, sondern auch den Aufenthaltsort des Trägers zu bestimmen. Öffentliche Orte wie z.B. Parkbänke oder Toiletten sind mit einem Timer versehen. Der Nutzer wird informiert, wenn etwas frei ist und kann es dann für eine bestimmte Zeit für sich buchen. Ältere und besonders gefährdete Menschen werden isoliert. So verhält es sich auch bei Schilos Oma. Im familiären Haushalt gibt es einen gesonderten Raum. Eine Glasscheibe ermöglicht, dass Enkelin, Mutter und Großmutter sich dennoch täglich sehen können. Eine Tischplatte, die auf der einen Seite anfängt und auf der anderen endet, lässt sogar zu, dass man sich gemeinsam zum Frühstück trifft und bei einer Tasse Kaffee Erlebnisse austauscht.

Während Schilo und ihre Mutter jedoch das Haus jederzeit verlassen können, muss sich die Oma mit Spaziergängen durch eine virtuelle Welt begnügen oder das Treffen mit ihren Freundinnen in den „eigenen“ vier Wänden über eine Leinwand per Videoübertragung abhalten. Natürlich ist diese Maßnahme nur zum eigenen Schutz. Und dennoch ist die Glaswand verriegelt, so dass die Großmutter eigeninitiativ den Raum nicht verlassen kann. Die Menschen von Cleanland akzeptieren ihr Schicksal und sind sogar zum größten Teil dankbar für die Sicherheit, die das System ihnen bietet.

Und dennoch rebelliert die Oma ganz zaghaft, wenn sie z.B. in Gesprächen mit Schilo über die Vergangenheit spricht oder die ein oder andere Schlaftablette absetzt, um – verbotenerweise – ein nächtliches Gespräch mit dem Cleaner herbeizuführen.

Der Leser dieses Buchs fürchtet und ängstigt sich, weil er sich in die Figuren hineinversetzt und mit ihnen Dinge erlebt, die erschreckend aktuell erscheinen.

Natürlich müssen die verdrehten moralischen Regeln des Systems ins Wanken geraten.
Schilos Leben verändert sich peu a peu. So lernt sie z.B. unerwartet einen anderen Menschen kennen – was eigentlich verboten ist. Auch muss sie feststellen, was passiert, wenn man kleine Regeln bricht.

Martin Schäuble legt mit seiner Geschichte einen unglaublich fesselnden Start hin und treibt seine Geschichte rasant und gekonnt voran. Aber je näher wir zum Ende kommen, desto mehr Details werden vom Hauptstrang der Ereignisse zurückgelassen. Wenig wird auserzählt und die Kunst der Auslassung will dem Autor nicht immer gelingen.


Fazit: 


In seinem neuen Roman "Cleanland" zeichnet Marin Schäuble ein Science-Fiction-Szenario eines körperdatenbezogenem Überwachungsstaates, ja einer Gesundheitsdiktatur. Er setzt sich mit den ethischen und anthropologischen Auswirkung auseinander, wenn Lebens- und Gesundheitsschutz als absoluter Wert über der Würde des Menschen steht.

Dies macht er so gut, dass man das Buch anfangs gar nicht mehr aus der Hand legen, sondern sofort auslesen möchte. Die zweite Hälfte hingegen reißt den Leser zum Ende hin nicht mehr so ins Geschehen hinein. Es wird zu schnell, oft gleichsam atemlos erzählt. Ein paar Seiten mehr hätten dem Buch gut getan.

Dennoch handelt es sich um ein aktuelles Thema, dem das Buch hoffentlich nicht voraus ist.


Kurzgefasst:


Spannung/Action:





Liebe/Freundschaft:





Charaktere:





Weltenaufbau:





Handlungsstrang:





Schreibstil:





Im Gesamtpaket:



16 Kommentare:

  1. Huhu!

    Hört sich gut an, da hat er das aktuelle Geschehen ja perfekt aufgegriffen ... wollen wir hoffen, das es zum Um- und Nachdenken anregt.

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallo liebe Aleshanee,
      auf jeden Fall! Ich könnte mir schon vorstellen, dass die Geschichte zum Nachdenken anregt. Bei mir war es auf jeden Fall so. Etwas schade war, dass das Ende nicht so ganz rund war. Das hätte ich mir hier noch gewünscht.

      Ganz liebe Grüße
      Tanja :o)

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  2. Wow! Das klingt ja unheimlich spannend und ist gerade ja wirklich brandaktuell. Das Buch wandert sofort auf meine Liste. Danke für diesen tolle Tipp :D
    Liebe Grüße
    Sarah

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    1. Hallo liebe Sarah,
      das freut mich, dass dich die Geschichte anspricht. Auf jeden Fall handelt es sich um ein brandaktuelles Thema und die Umsetzung ist dem Autor richtig gut gelungen. Einzig beim Ende fehlte mir was.
      Ich bin sehr gespannt auf deine Meinung zum Buch, solltest du es lesen :o)

      Ganz liebe Grüße
      Tanja :o)

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  3. Hallo Tanja

    Um dieses Buch bin ich auch schon herumgeschlichen, ich bin aber ein bisschen zwiegespalten, ob es mir echt gut tun würde, es gerade jetzt zu lesen. :D Es ist natürlich einerseits klever, das Buch mit diesem Thema gerade jetzt zu veröffentlichen, aber irgendwie habe ich das Thema Pandemie im Moment so satt, weil ich so frustriert bin aufgrund der ganzen Einschränkungen, dass es mir vielleucht nicht gut tun würde, wenn ich die aktuelle Situation in Form eines Buch "weiterspinnen" würde :D

    Schade, dass dich die zweite Hälfte nicht mehr so mitreissen konnte. :/

    Ich behalte das Buch auf jeden Fall im Hinterkopf. :)

    Liebe Grüsse
    Mel

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    1. Hallo liebe Mel,

      deine Bedenken kann ich gut nachvollziehen. Als ich das Cover gesehen habe, hatte ich genau die gleichen Bedenken wie du. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich Lust hätte ein Buch zu lesen, das sich an der heutigen Situation orientiert.

      Ich konnte diese Bedenken dann jedoch schnell ablegen. Das lag wohl daran, dass es sich um eine fiktive Geschichte handelt und die Situation im Vergleich zu unserer doch viel dramatischer dargestellt wird. Martin Schäuble lässt sich vielleicht von der Pandemie gedanklich beeinflussen, aber letztlich erschafft er eine ganz andere Welt.
      Für mich blieb allerdings letztlich noch der Kritikpunkt mit dem Ende
      Solltest du es lesen, lass es mich wissen :o)

      Was das Ende angeht: Das stellte für mich leider einen Kritikpunkt dar.Ich habe nichts gegen ein offenes Ende, aber hier hat der Autor wirklich zu viel offen gelassen. Eine schöne Lösung wäre da vielleicht die Ankündigung eines zweiten Bandes gewesen.

      Liebe Grüße
      Tanja

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  4. Hallo liebe Tanja,

    über die Geschichte und deine Leseeindrücke hattest du mir ja schon ein wenig berichtet. Ich finde, dass hier dargestellte Szenario schon sehr krass und wenn ich mich in die Lage der Oma hineinversetze, die in einem Käfig sitzt, überkommen mich Wut und Trauer, ob der Freiheitsberaubung. Klar dient es dem Schutz älterer Menschen, aber haben auch diese ein Recht auf Freiheit. In der aktuellen Lage, in der wir uns zur Zeit befinden, hoffe ich, dass unsere Politiker nicht auch auf eine solche Idee kommen...

    Schade finde ich, dass es zum Ende des Buches, etwas zu schnell ging und so manches auf der Strecke blieb.

    Liebe Grüße,
    Uwe

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    1. Huhu Uwe,

      ich muss sagen, dass ich auch sehr mit der Oma mitempfunden habe. Allerdings haben sich die Menschen in Cleanland auch schon sehr an die Lebensverhältnisse angepasst. Die Oma rebelliert schon ein Stück weit, aber eher zaghaft.

      Ich bin ganz bei dir. Ich denke aber, dass Martin Schäuble mit seinem Buch unter anderem gerade auf diesen Konflikt aufmerksam machen wollte.

      Ich glaube nicht, dass wir jemals in eine so drastische Situation gelangen werden, wie es in dem Buch der Fall war. Aber einige Parallelen zu unserer Situation waren schon erkennbar.

      Das mit dem Ende war wirklich sehr schade. Eine schöne Lösung wäre die Ankündigung einer Fortsetzung gewesen. Ich glaube hier könnte man gut noch ein Buch schreiben.

      Ganz liebe Grüße
      Tanja :o)

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  5. Hallo liebe Tanja,

    das scheint ja ein sehr interessante, fiktive Geschichte zu sein. Es führt ja einige Situationen deutlich vor Augen, die man zur Zeit auch ein wenig nachempfinden kann.
    lg Barbara
    LG Barbara

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    1. Hallo liebe Barbara,
      gerade beim Lesen der ersten Seiten, war mir stellenweise schon ein wenig übel. Ich musste immer wieder Vergleiche zu unserer aktuellen Lage ziehen.
      Wenn man mal vom überhastet herbeigeführten Ende absieht, handelt es sich hier wirklich um eine sehr empfehlenswerte Lektüre.
      Liebe Grüße
      Tanja

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  6. Huhu Tanja,

    das klingt ja echt sehr interessant. :) Ich weiß nur nicht so ganz, ob das was für mich wäre. Ich würde glaube eher nicht noch darüber lesen wollen. Ich genieße es momentan eher total, dass ich beim Lesen vollkommen in andere Welten abtauchen kann und den ganzen Mist drum herum einfach mal vergessen kann. :) Freut mich aber sehr, dass es dir so gut gefallen hat. <3

    Liebe Grüße

    Sunny

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    1. Hallo liebe Sunny,

      ich war tatsächlich auch sehr skeptisch. Gerade als ich das Cover gesehen habe, habe ich mich gefragt: Möchtest du das momentan wirklich lesen? Ich muss sagen, dass ich diese Skepsis aber schon während des Lesens der ersten Seiten abgelegt habe. Martin Schäuble greift das aktuelle Geschehen auf und verleiht ihm neue Elemente. Das war sehr spannend zu verfolgen.

      Liebe Grüße
      Tanja :o)

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  7. Hallo Tanja

    Und schon wieder ein Buch für die Wunschliste. Du hast mich sehr neugierig gemacht. Schade finde, dass der Autor das Ende so schnell abgehandelt hat.

    Liebe Grüße,
    Gisela

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    1. Hallo liebe Gisela,

      ich bin ja fest davon ausgegangen, dass es sich um einen Einzelband handelt. Sollte der Autor jedoch noch eine Fortsetzung schreiben, dann könnte ich ihm das Ende vermutlich so, wie es ist, verzeihen. Ansonsten fehlte mir da einiges. Die Geschichte (bis zum Ende) ist auf jeden Fall sehr bewegend und regt zum Nachdenken an. Sollte es eine Fortsetzung geben, dann könnte ich dir hier eine absolute Empfehlung aussprechen.

      Liebe Grüße
      Tanja

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  8. Liebe Tanja,
    das Buch ist mir in den letzten Tag öfters mal auf unterschiedlichen Seiten begegnet. Ich finde die Thematik aus aktuellem Anlass sehr interessant, allerdings bin ich mir nicht sicher ob ich es deswegen ausgerechnet jetzt lesen möchte.
    Allerdings habe ich mir den Titel schon vermerkt.
    Liebe Grüße
    Andrea ♥

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    1. Hallo liebe Andrea,
      ich kann verstehen, dass du einerseits interessiert, andererseits aber auch skeptisch bist. Mir erging es genauso. Ich muss sagen, dass die Geschichte mich schon sehr bewegt hat, eben weil ich Parallelen zur aktuellen Situation ziehen konnte. Aber es war zugleich auch ein fiktives Setting und alles war im Vergleich zu den aktuellen Geschehnissen stark überspitzt.
      Einzig das Ende war mir hier zu offen. Ich hoffe, dass es vielleicht nochmal einen zweiten Teil geben wird.

      Liebe Grüße
      Tanja

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