Rezension zu Total irre von Jutta Nymphius
Seitenzahl: 176
Format: Gebundene Ausgabe
Preis: 15,00 Euro
Altersempfehlung des Verlages: Ab 11 Jahren
ISBN: 978-3-86429-548-5
Abgeschlossene Erzählung
Inhalt:
Karli empfindet seine Familie als total verrückt. Seine Mutter hat Übergewicht und verbringt ihren Tag damit, immer neue Dinge zu erfinden. Überall im Haus liegen Gerätschaften und Werkzeuge herum. Am liebsten kreiert sie Neuerungen für für Karlis Vaters Rollstuhl. Denn dieser möchte demnächst unbedingt an einem Rollstuhlrennen teilnehmen. Und Patenonkel Henry? Der weiß gar nicht so genau, wer er gerne sein möchte. Jeden Tag kommt er mit glitzernden Frauenklamotten an und möchte, dass man ihn mit einem neuen Namen anspricht.
Das ist Karli alles viel zu viel. Als die Schule dann ein Klassenfest plant, ist sich Karli sicher, dass er seine Familie nicht dabei haben möchte. Die Mitschüler würden ihn für seine Familie an den Pranger stellen. Soviel ist klar. Am besten scheint es zu Hause nichts von dem Fest zu erzählen.
Karli war sich, bis vor Kurzem sicher, dass die Schule ein Hort sozialer Konformität ist. Dass hier alle relativ normal sind. Doch beim Besuch der Mittelstufendisco werden ihm die Augen geöffnet. Denn dort lernt er Jona kennen. Jona kann richtig gut tanzen und sieht umwerfend aus. Doch Jona hat, das stellt Karli bald fest, ein Handykap: Sie kann ihn nicht hören. Sie ist taub.
Das Kennenlernen von Jona geht gehörig schief, denn Karli ist nur mit einer schwach ausgeprägten Sozialkompetenz gesegnet.
Als dann auch noch in der Schule das Projekt, „Schönstes Klassenzimmer“, ausgerufen wird, an dem Robin, Karlis bester Freund und auch Karli gerne teilnehmen wollen, droht Karlis Leben endgültig aus den Fugen zu geraten. Eigentlich wollte er nur den Hauptgewinn, Karten für DIE Band der Schule, die „Golden Devils“, gewinnen. Doch letztlich wird ihm durch das Projekt klar, dass auch Robin ein großes Problem hat und alles andere als „normal“ ist.
Karli wird nichts anderes übrig bleiben, als seine Konstruktionen von Normalität zu überdenken.
Meinung:
Jutta Nymphius greift in ihrer Geschichte „Total irre“ ein sehr wichtiges Thema auf, nämlich, dass jeder Mensch seine Ecken und Kanten hat und dass es wichtig ist, sich für andere Menschen nicht zu verbiegen. Sie berichtet vom „Anderssein“. Der Protagonist ihrer Geschichte „Total irre“, Karli, hat das Gefühl, dass er in einem Umfeld aufwächst, in dem sich jeder in Extremen verliert. Karli möchte aber einfach nur sein Leben unbeschwert leben und eines möchte er dabei auf keinen Fall: auffallen.
Der Übergang zwischen Normalität und Abnormität ist auch bei Karli fließend. Beispielsweise nennt er heimlich sein einziges Barthaar, auf das er mächtig stolz ist, Ferdi. Nach und nach muss Karli lernen, dass gerade die kleinen Eigenheiten, die jeder hat, einfach zum Leben dazugehören.
Zu einem starken Umdenken bewegt ihn hier Jona. Das Mädchen, das ihn erstmals von seiner Jugendliebe Lina ablenkt, und seine ganze Aufmerksamkeit fordert. Denn Jona ist anders. Als Karli feststellt, dass sie taub ist, reagiert er zunächst harsch. Doch Jona lässt sich davon nicht unterkriegen. Sie betitelt Karli eiskalt als „Arschloch“ und lässt ihn einfach stehen. Jona ist selbstbewusst, sie steht mitten im Leben. Karlis Unsicherheiten und seinen tappsigen Versuch mit ihr zu kommunizieren, lächelt sie einfach weg. Damit muss Karli erst mal umgehen lernen.
Jona ist also Karlis erster Schritt auf dem Weg zum Umdenken. Doch es folgt noch ein weiterer. Denn Karlis bester Freund hat ein großes Problem, das sich nach und nach herauskristallisiert.
Jutta Nymphius bringt einige Themen in ihrem nur 176 Seiten umfassendem Buch unter. Sie berichtet vom Anderssein, vom Erwachsenwerden, von der ersten Liebe und erzählt von psychischen Problemen, die man eben nicht einfach tolerieren, sondern ernst nehmen sollte. Diese wichtigen Botschaften in einem Buch komprimiert und gelegentlich auch pointiert, das hat mir sehr gefallen.
Einige Szenen wurden mir hier jedoch etwas zu schnell abgehandelt. So entwickelten sich die Gefühle von Jonas, erst für Lina - dann für Jona, doch recht zügig/sprunghaft. In einer weiteren Szene ist Karli gezwungen eine Figur zum Umdenken zu bewegen, die über Jahre hinweg eine feste Ansicht vertreten hat. Dies gelingt ihm dann innerhalb eines kurzes Wortwechsels.
Erwähnenswert ist auch noch die Einleitung eines jeden Kapitels. Diese werden mit kurzen Fakten aus der Tierwelt eingeleitet, die sich sehr gut auf das Verhalten des Menschen übertragen lassen. Zu Beginn des Buches berichtet Jonas von einer Zeitschrift namens Fun und Facts, die er sich gerne vom Nachttisch seiner Mutter stibitzt. Im Speziellen handelt es sich hier um die Ausgabe „Junge Wilde – Was wir von der Tierwelt übers Erwachsenwerden lernen können.“ Diese kurzen Kapitelanfänge waren nicht nur unterhaltsam, sondern zugleich sehr informativ.
Fazit:
Geschickt erzählt Jutta Nymphius eine Coming-of-Age-Geschichte, die durch ihre Glaubwürdigkeit und Alltäglichkeit überzeugt. Ihr Protagonist sucht nach Individualität, obwohl er zunächst in seiner Umgebung Konformität verlangt, stellt dann aber schnell das „Diktat der Mehrheit“ auf den Prüfstand.
Das Buch erscheint streckenweise etwas übereilt und nimmt in diesen Teilen wenig Rücksicht auf seine Charaktere, sondern treibt nur die Handlung voran. Im Großen und Ganzen gelingt es „Total irre“ allerdings, vor allem in seinen stärksten Passagen, informativ und humorvoll zu unterhalten.
Von mir gibt es, mit kleinem Punkteabzug, eine volle Leseempfehlung für Jugendliche und junggebliebene Leser/innen.
Kurzgefasst:
Spannung/Action:
Schreibstil:
Im Gesamtpaket:
Hallo liebe Tanja,
AntwortenLöschenvielen Dank für diese interessante Rezension. Das Buch ist bisher ein wenig an mir vorbeigegangen. Aber schon bei deiner Monatsvorstellung ist mir das Cover sofort ins Auge gefallen. Auch die Thematik klingt nicht schlecht, auch wenn sie nicht so ganz nach meinem Geschmack ist.
Cool finde ich auch, dass es sich hierbei um eine abgeschlossene Erzählung handelt, aber das Thema hatten wir ja erst. ;-)
Liebe Grüße
Sandra
Hallo liebe Sandra,
Löschenmich hat der Klappentext ja vom ersten Moment angesprochen. Was die abgeschlossenen Erzählungen betrifft, bin ich ganz bei dir. :o) Die Geschichte wurde hier auch ganz gut umgesetzt, wobei es ein paar kleine Stellen gab, die man vielleicht noch ein wenig hätte ausarbeiten können. Alles in allem aber eine Geschichte mit wichtigen Themen und mit der feinen Humornote auch gut umgesetzt :o)
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Hallo liebe Tanja :)
AntwortenLöschenWieder eine spannende Vorstellung zu einem Buch, dass ich so noch gar nicht ins Auge gefasst hatte. Allerdings muss ich auch zugeben, dass die meisten Geschichten ohne Fantasy-Anteil unbeachtet an mir vorbeiziehen - umso mehr freue ich mich dann durch deine Rezensionen einen Blick von außerhalb meiner Comfort Zone erhaschen zu können. "Total irre" klingt nach einer schönen Geschichte mit einem wichtigen Grundthema, schade, dass sie so stark handlungsgetrieben ist und dabei die Charaktere etwas aus den Augen verliert.
Ich wünsche dir einen schönen dritten Advents!
Liebe Grüße
Lisa von Prettytigers Bücherregal (Blog & Instagram)
Hallo liebe Lisa,
Löschenich habe dieses Buch tatsächlich auch noch nicht so oft erblickt. Doch als es mir damals ins Auge gefallen ist, hat mich der Klappentext sofort angesprochen. Ich freue mich, dass ich dein Interesse wecken konnte, auch, wenn dieses Buch vom Genre her nicht dein Beuteschema ist.
Das stimmt: Die ein oder andere Szene hätte ein wenig mehr ausgearbeitet sein können. Es ändert aber nichts daran, dass diese Geschichte auch einige sehr schöne Momente hatte. Kleiner Kritikpunkt, der dem Lesevergnügen aber nicht allzu sehr schadet :o)
Ich wünsche dir auch einen ganz wundervollen dritten Advent und einen schönen Start in die neue Woche :o)
Ganz liebe Grüße
Tanja