Donnerstag, 1. September 2016

Durchgelesen

Rezension zu Es wird keine Helden geben von Anna Seidl


Verlag: Oetinger (Hardcover) oder auf der Internetseite vom dtv (Taschenbuch)
Seitenzahl: 256 Seiten
Format: Taschenbuch
Preis: 8,99 Euro
ISBN: 978-3-8415-0402-9
Altersempfehlung des Verlages: Ab 14 Jahren
Abgeschlossene Erzählung








Inhalt:

Miriam ist dabei, als Matias Staudt, ein Schüler, den viele Mitschüler immer nur gehänselt und gemobbt haben, in der Schule Amok läuft. Auf der Suche nach einem Versteck, muss sie mit anschauen, wie ihm Mitschüler zum Opfer fallen. Sie erlebt den Tod ihres Freundes Tobi. Mit den Folgen dieser Tat werden Miriam und ihre Freundinnen noch lange und schwer zu kämpfen haben.



Schreibstil:

Die Geschichte beginnt sofort mittendrin. Schüsse ertönen. Miriam versucht im ersten Moment zu begreifen, was da gerade passiert; im nächsten Moment ist sie auf der Suche nach einem Versteck. Von der ersten Seite an ist die Angst greifbar. Als Leser fühlt man die Panik, so als wäre man selbst vor Ort am Tatort.

Zusammen mit Miriam erlebt man die Tage „danach“. Während das Mädchen sich in Wut flüchtet und sich von ihrer Umwelt abschottet, muss sie mit ansehen, wie ihre besten Freundinnen sich von ihr distanzieren. Jede verarbeitet das Trauma auf ihre eigene Art.

Aus Miriams Perspektive wird berichtet, wie die Welt des Mädchens mit einem Schlag zusammenbricht. Die glücklichen Zeiten mit den Freundinnen, die Unbeschwertheit: Mit den Schüssen gehört das alles der Vergangenheit an. Zu allem Überfluss reist die Mutter an, die sich in Miriams Kindheit von der Familie verabschiedet hat, um ihr eigenes Leben zu genießen.
Miriam will keine Hilfe von der Familie, die ja eh nicht verstehen kann, was sie da durchlebt hat. Sie will Matias Staudt, den Täter, hassen, der ja immer so gestunken hat und der daran Schuld ist, dass ihr Leben zerbrochen ist. Sie will einfach nur allein sein. In der Einsamkeit durchlebt sie die Gedanken, die ihr durch den Kopf geschossen sind, als der Tod an die Tür geklopft hat, sie leidet an Albträumen und immer wieder laufen Szenen der Vergangenheit vor ihren Augen ab.

Phasen der Lebensmüdigkeit und Motivationslosigkeit nehmen von dem Mädchen Besitz. Sie verliert den Appetit. Schuldgefühle und Trauer überkommen sie.

An einigen Stellen wirkt der Roman durch den Mangel an wörtlicher Rede trostlos und trüb. Doch diese Stellen sind wichtig, um die einzelnen Phasen der Trauerbewältigung zu begreifen.

Vielleicht findet man die Protagonistin stellenweise egoistisch und ungerecht in ihrem Handeln. Gerade dann, wenn sie die Hilfe der Familie immer wieder abblockt und ständig nur ihr eigenes Befinden sieht. So fallen hilflose Sätze wie diese (Buchzitat): „Früher hast du mir doch erzählt, was in dir vorgeht.“ - „Früher gibt es nicht mehr.“ Oder es gibt den einen Moment, in dem Miriam sich ohne zu fragen das Portemonnaie des Vaters greift, um sich hundert Euro zu nehmen. Ihre Gedanken dazu lauten (Buchzitat): Tja, dann merkt er endlich mal, dass man sich im Leben nicht alles wünschen kann.

Die Frage nach dem Warum dominiert bald die Trauer. Auch Matias Staudt war letztlich ein Opfer. Wenn die Protagonistin nach und nach die Vergangenheit offenbart, wird dies offenbar.

Auch die Wut gegen die Mutter ist nachvollziehbar. Sie verließ das Kind, um ihr eigenes Leben besser genießen zu können. Doch in dem Moment, in dem Miriam die Mutter am meisten braucht, ist diese zur Stelle.



Fazit:

Dieser Roman ist sehr subtil. Dabei spielen die fünf Phasen der Trauerbewältigung (Wut, Depression, Verhandlung, Verleugnung, Akzeptanz) eine zentrale Rolle. 
 
Beeindruckend ist die Darstellung der Charakterentwicklung und die großangelegten Story-Bögen.
Nach und nach lernt man die Geschichte rund um die Charaktere besser kennen.
Die psychologisch hintergründige Charakterisierung der Protagonisten versperrt einfache Urteile.
Charaktere, die man zunächst hasste, begreift man plötzlich ein Stück weit.

Es wird keine Helden geben wirkt erst dann vollständig, wenn man die letzte Seite gelesen und den Buchdeckel zugeklappt hat.



Buchzitate:

Wenn die Stille dir das Leben rettet, definierst du neu, was laut und was leise ist.

Mir ist trotzdem noch kalt. Es kommt von innen. Von ganz innen, wo niemand rankommt.

Manchmal braucht man keine Worte, um sich zu unterhalten. Manchmal sagt die Stille mehr als tausend Worte.

Wir durchleben jeden Augenblick nur ein einziges Mal. Er wird sich nicht mehr wiederholen. Leider schätzen wir das Leben trotzdem nicht mehr.

Denn egal, wie viel Schmerz du ertragen musst, egal, wie viele Tränen du vergießt, egal, wie oft du hinfällst – solange es jemanden gibt, der dir die Hand reicht, stehst du immer wieder auf.

Dann lernte ich Tobi kennen, und ich entdeckte etwas wirklich Schönes am Erwachsenwerden. Tobi hat mir gezeigt, dass man auch etwas bekommt, wenn alles Vertraute verschwindet.



Kurzgefasst:

Spannung/Action:






Liebe: 






Charaktere:






Handlungsstrang:






Schreibstil:






Im Gesamtpaket:


12 Kommentare:

  1. Also mir hat das Buch damals sehr gut gefallen und ich war überrascht wie gut die Gefühle und all die Gedanken der Hauptprota hier rübergekommen sind. Vorallem auch, wo das ein Debütroman ist und das Alter der Autorin berücksichtigt werden muss. Ich war wirklich beeindruckt!
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Hallo Martina,
      ich habe Anfangs nicht damit gerechnet, dass der Roman eher die Zeit nach dem Amoklauf belichtet. Sowas habe ich in der Art noch nicht gelesen. Du hast Recht: Die verschiedenen Emotionen wurden sehr gut rübergebracht.
      Auf das Alter der Autorin habe ich gar nicht geachtet. Das werde ich mal nachholen.

      Liebe Grüße Tanja

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  2. Hey Tanja,

    von dem Buch habe ich schon so viel Gutes gehört. Ich mag solche Bücher total gerne die erst am Ende der Geschichte zu einem großen Ganzen werden. Und bei diesem Buch hört es sich für mich so an, als wenn das der Fall wäre. :-)

    Liebe Grüße
    Sandra

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    1. Hallo Sandra,
      ich habe das so empfunden. Die Protagonistin muss ihre Gefühle erstmal ordnen und durchlebt dabei verschiedene Phasen.
      Für mich eine war das mal eine sehr interessante Herangehensweise an das Thema.
      Liebe Grüße Tanja

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  3. Das hört sich aber interessant an, obwohl es kein Buch meines Lieblings-Genres ist. Eine sehr schöne und aussagekräftige Rezension, die mich neugierig zurück lässt.

    Liebe Grüße

    Nisnis

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    1. Hallo Nisnis,
      ich freue mich, dass dich meine Rezension neugierig gemacht hat.
      Zuvor habe ich zu diesem Thema schon ein Buch gelesen. Das ist allerdings schon länger her. Jodi Picoult mit Neunzehn Minuten kann ich dir auch sehr empfehlen, falls dich die Thematik interessieren sollte.
      Liebe Grüße Tanja

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  4. Ich will das Buch auch noch auf jeden Fall lesen :)!
    Deine Rezension hat mir nur um so mehr bestätigt, dass ich das Buch diesen Monat unbedingt kaufen muss
    Liebe Grüße und schönes Wochenende ♥
    http://mutantly.blogspot.de/

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    1. Hallöchen :o)
      Oh, das freut mich sehr, dass meine Rezension dich so neugierig gemacht hat, dass du das Buch jetzt lesen wirst. Ich bin sehr gespannt, wie es dir gefallen wird.

      Ganz liebe Grüße Tanja :o)

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  5. Das hört sich wirklich gut an, wobei ich besonders auch diese Phasen der Trauerbewältigung interessant finde...Davon habe ich bisher leider noch nichts gelesen...

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    1. Hallo Lena,
      teilweise ist das Buch etwas düster. Aber ich denke das passt sehr gut zur Thematik. Ein schweres Thema, aber meines Erachtens gut umgesetzt.
      Liebe Grüße Tanja :o)

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  6. Huhu Tanja,

    es freut mich wirklich total, dass dich dieses Buch auch von sich überzeugen konnte. Am Anfang haben wir ja einen ähnlichen Storyverlauf erwartet und wurden danach beide überrascht. Es ist total klasse, dass die Überraschung auch für dich letztendlich positiv war. Ich bin auch deiner Meinung, dass man die letzte Seite fertig gelesen haben muss, damit die Geschichte vollständig wirkt. Eine wunderschöne Rezension. <3

    Ganz liebe Grüße
    Leni =)

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    1. Hallo Leni,

      ich freue mich sehr, dass du meine Rezension zu diesem Buch gelesen hast, zumal ich ja auch erst durch deine wundervolle Rezension auf dieses Werk aufmerksam geworden bin :o)

      Auch freue ich mich, dass wir hier eine so ähnliche Meinung haben. Ich denke diese Geschichte ist etwas Besonderes und lädt zum nachträglichen Nachdenken und Diskutieren ein.

      Ganz liebe Grüße Tanja

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