Rezension zu Hey Siri, willst du mich heiraten? - Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen meinem autistischen Sohn und seinem Handy von Judith Newman
Verlag: Fischerverlage (Werbung gem. TMG)
Seitenzahl: 256
Format: Klappenbroschur
Preis: 14,99 Euro
Übersetzer: Andrea Kunstmann
ISBN: 978-3-596-03649-3
Abgeschlossene Erzählung
Inhalt:
In
„Hey Siri, willst du mich heiraten“, erzählt die Autorin Judith
Newman von ihrem Leben mit ihren zwei Zwillingssöhnen, Henry und
Gus. Es ist eine Geschichte rund um eine Familie,
deren Sohn Gus mit Autismus
diagnostiziert wurde. Die Autorin liefert nicht nur eine
autobiografische Reportage über die Entwicklung eines autistischen
Kindes, sondern beleuchtet alle relevanten Aspekte zum Thema.
Das Leben mit einem
autistischen Jungen ist anders. Es stellt einen einerseits vor
Probleme, dann aber gibt es wieder diese besonderen Momente, die
andere Mütter wohl nie erfahren werden.
Im Detail:
Judith Newmann ist
fast 40, ihr Mann 69 Jahre alt, als es nach sieben Jahren und 70.000
Dollar Investitionen endlich mit einer Schwangerschaft klappt. Die
kleine Familie wird nach dieser langen Zeit mit Zwillingen belohnt.
Henry und Gus. Bald schon stellt sich heraus, dass die Kinder sich
mit ihren Eigenarten sehr voneinander unterscheiden. Gus wirkt als
Baby sehr pflegeleicht. Er fordert nichts, er ist ruhig und
zufrieden. Henry hingegen ist wesentlich lebhafter.
Es wird bald klar,
dass Gus Verhalten sich auch von dem anderer Kinder stark
unterscheidet. Er benötigt bei Tests eine deutlich längere
Reaktionszeit. Er entwickelt absolut keinen Entdeckungsdrang, hat
noch keinerlei Dinge in den Mund gesteckt, auch kann er immer nur ein
Nahrungsmittel auf einmal zu sich nehmen. Er duldet keine zwei
verschiedenen Speisen auf seinem Teller. Mit achtzehn Monaten spricht
Gus immer noch kein einziges Wort. Stattdessen ist er in der Lage,
Geräusche täuschend echt zu immitieren. Gus erster Satz, der wie
aus dem Nichts herausgeschossen kam, lautete: „Die Sendung Bill Nye
the Science Guy wurde zu großen Teilen von der National Science
Foundation, der Corporation for Public Broadcasting und Zuschauern
wie ihnen finanziert.“
Nachts sorgt Gus
für schlaflose Nächte. Er steigt in das elterliche Bett und knetet
sämtliche Körperteile der Mutter durch. Diese Angewohnheit ist ihm,
bei aller Mühe nicht abzugewöhnen. Selbst abgeschlossene Türen
umgeht er mit gewissen Tricks.
Gus denkt und handelt anders als die
Menschen in seinem Umfeld. Er widerholt Sätze oder Geräusche gerne
immer und immer wieder, er liebt Musik und kann es gar nicht leiden,
wenn jemand falsch singt. Räumliches Denken fällt ihm schwer, was
dafür sorgt, dass er manchmal nur wenige Zentimeter vor seinem
Gegenüber steht und ihm lautstark etwas erzählt. Auch die Aktionen
in der Nacht, bei denen er den Körper der Mutter durchknetet, haben
mit dem Verlust des räumlichen Denkvermögens zu tun. Er versucht
mit diesem Verhalten herauszubekommen, wo sein Körper endet und der
nächste beginnt.
Judith Newman stellt sich in diesem
Buch, die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass eines ihrer Kinder
mit Autismus geboren wurden. Dazu gibt es allerhand Thesen. Jede
einzelne trifft in einem bestimmten Maße auf sie zu. Babys, die kurz
nach der Geburt keine körperliche Nähe erfahren, so ist bewiesen,
gehen zu Grunde. Babys hingegen, die lediglich emotional
vernachlässigt werden, entwickeln oft autistische Züge. Auch das
Alter, in dem Judith und John ihr Kind geboren haben, war vielleicht
nicht ganz optimal. Ebenso können Körpergewicht und Ernährung der
Mutter ein Grund für die autistische Entwicklung des Sohnes gewesen
sein.
Neben einigen Lebensausschnitten,
misslungenen Versuchen in den Urlaub zu fahren, Erlebnissen bei
Ausflügen und ähnlichem, stellt die Autorin in ihrem Buch auch
andere namhafte Autisten vor. Sie erklärt, warum autistische
Menschen eine Vorliebe für Filmbösewichte haben und warum sie in
der Musik Ruhe und Entspannung finden können.
Der Titel des Buches „Hey Siri,
willst du mich heiraten“, ist ein wenig irreführend. In diesem
Werk geht es, wie man vielleicht annehmen möchte, nicht in erster
Linie um die Beziehung zwischen Gus und seinem Handy. Es gibt aber
zwei kurze Abschnitte, in denen die Autorin erläutert, warum die
virtuelle Freundin so wichtig für ihren Sohn ist.
Fazit:
„Hey
Siri, willst du mich heiraten?“ ist eine
autobiografische
Reportage über die Entwicklung eines autistischen
Kindes. In
dem Buch berichtet Judith Newmann vom Leben mit ihren
Zwillingskindern und ihrem älteren Mann, einem Opernsänger, dessen
Interessen sich stark von ihren eigenen unterscheiden.
Sie
zeigt an konkreten Beispielen wie schwer es ist, als Mittlerin
zwischen autistischer
und nicht-autistischer
Welt zu leben. Prägnant und für Laien gut
verständlich
wird Autismus vielgestaltig erklärt. Man erkennt schnell, dass man
von Autismus - trotz zunehmender medialer Popularität – jenseits
von vielen Klischees wenig weiß.
Dieses
Buch ist äüßerst lehrreich, dabei sehr
lebhaft und alles andere
als trocken. Eine
wichtige und hilfreiche Lektüre für diejenigen, die Autismus besser
verstehen wollen.
Buchzitate:
Es dreht sich darum, dass
Säuglinge, die vom Menschen total im Stich gelassen werden, bevor
sie sich aus eigener Kraft entwickelt können, den Tod finden. Wird
jedoch körperlich in einer Weise für sie gesorgt, die ihr Überleben
ermöglicht, während sie in emotionaler Hinsicht im Stich gelassen
oder überfordert werden, so werden sie autistisch.
Das Geräusch der
Toilettenspülung war für ihn ein Elefant, der in der Schüssel saß,
nach ihm griff und ihn hinunterzuziehen versuchte.
Kurzgefasst:
Mehrwert:
Aufbau:
Schreibstil:
Im Gesamtpaket:
Guten Abend liebe Tanja,
AntwortenLöschenich hätte vermutlich nicht gerechnet, dass hinter so einem "amüsanten" Titel, so eine ernste und auch irgendwie tragische Geschichte steckt. Das Buch weckt auf jeden Fall meine Neugier.
Von der Theorie bzgl. den Babys wie sie sich entwickeln- abhängig wie man sich um sie kümmert habe ich schon viel gehört und auch eine Reportage davon gesehen. Ein sehr spannendes Thema.
Danke für die Vorstellung.
Liebe Grüße und einen tollen Abend
Andrea ♥
Hallo Andrea,
Löschenich habe auch eher mit einer locker-leichten und humorvollen Geschichte gerechnet und dann war es sogar ein Erfahrungsbericht. Die Autorin berichtet aus ihrem Alltag und auch da gibt es einige humorvolle Stellen. Das Buch ist zugleich aber auch lehrreich und bewegend geschrieben.
Nur von Siri liest man eher weniger. Ich fand den Titel im Nachhinein etwas irreführend.
Das Buch kann ich dir aber sehr empfehlen. :o)
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Hallo Tanja,
AntwortenLöschendas Buch hört sich sehr interessant an. Allerdings muss ich meiner Vorrednerin anschließen, denn auch ich finde den Titel irreführend. Ich dachte im ersten Moment an ein Comedy-Buch.
Eine Freundin von mir hat ein Kind mit leicht autistischen Zügen. Da würde das Buch auch sehr gut passen.
Und das mit den abgebrochenen Urlauben kenne ich aus eigener Erfahrung...
Das Buch merke ich mir auf alle Fälle vor.
Viele Grüße,
Steffi
Hallo Steffi,
Löschenja, ich bin bei dem Titel auch von einem ganz anderen Inhalt ausgegangen. Auch, wenn die Geschichte weder viel über die Beziehung zwischen Gus und Siri berichtet, noch eine fiktive Erzählung ist, so war das Buch sehr interessant.
Ich selbst kenne niemanden mit autistischen Zügen, daher fehlen mir natürlich die Vergleiche. Durch das Buch hatte ich das Gefühl einiges über Autismus gelernt zu haben. Ich bin sehr gespannt, was du darüber berichten wirst, wenn du den Inhalt mit deinen Erfahrungen vergleichst.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Huhu Tanja,
AntwortenLöschenmir ist der Buchtitel bereits einige Male ins Auge gestochen. Ich muss aber zugeben, dass es mich bisher nicht wirklich neugierig machen konnte. Allerdings habe ich dahinter auch eine ganz andere Geschichte erwartet.
Deine Rezension macht wirklich sehr neugierig auf das Buch. Autismus ist für die Meisten kein unbekannter Begriff, doch kenn ich mich zumindest nicht in die Tiefe mit dem Thema aus. Dass die Autorin aus ihrem Leben berichtet, sich mit Autismus sehr stark auseinandergesetzt hat und auch noch bekannte Autisten mit in ihre Geschichte verwickelt, spricht mich sehr an. Vielen Dank für die schöne Vorstellung. <3
Ganz liebe Grüße
Leni =)
Huhu Leni :o)
LöschenWirklich? Ich habe das Buch irgendwie noch auf keinem anderen Blog entdeckt. Da muss ich gleich mal stöbern gehen und schauen, was andere darüber zu erzählen haben.
Ich bin auch, das muss ich zugeben, mit völlig anderen Erwartungen an das Buch herangetreten. Aber trotz einer ganz anderen Geschichte, fand ich es richtig gut.
Mir war Autismus auch nur durch Romane, wie "Das Rosie-Projekt" oder diverse Filme ein Begriff. Umso interessanter empfand ich es, ein Buch von jemandem zu lesen, der in seinem Leben schon eigene Erfahrungen damit gemacht hat.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Hallo Tanja,
AntwortenLöschenim Alltag bin ich bisher noch mit keinem Autisten in Berührung gekommen, jedoch hatte ich mal ein Buch gelesen, in dem ein autistischer Junge Zeuge eines Mordes wurde und dank seinem ausgezeichneten Verständnis für Computer der Polizei versuchte zu helfen. Von meiner Frau, die hier mehr Erfahrung im Umgang mit Autisten hat, weiß ich, dass sie aber etwas Besonderes sind.
Die "Eigenarten" der Menschen (ohne dies negativ zu meinen!) sind sehr vielschichtig und für uns gesunde nur schwer bis gar nicht nachzuvollziehen, daher finde ich es gut, dass die Autorin hier eine Autobiografie zu diesem Thema geschrieben hat. Die von ihr beschriebenen Dinge, die für Gus wichtig sind und für ihn sicherlich auch eine gewisse Routine und Geborgenheit darstellen, sind für die Mutter und die Familie nur sehr schwer zu verstehen. Man muss bereit sein, sich auf diesen Mensch einzulassen und sich dabei bewusst zu sein, immer für ihn da zu sein, da sie hilfsbedürftig sind. Diese Hilfe ist - leider - in unserer heutigen Gesellschaft aber nicht gewünscht und so haben die betreffenden Personen sehr darunter zu leiden.
Ein Thema was sicherlich sehr bewegt und mir gefällt, was du darüber geschrieben hast.
Liebe Grüße,
Uwe
Hallo lieber Uwe,
Löschenvielen Dank für deinen lieben Kommentar. Ich kann deine Worte so nur unterschreiben. Ich denke auch, dass Autisten es oft nicht einfach haben. Eben weil sie in einigen Dingen eine andere Wahrnehmung haben.
Ich selbst kenne, zumindest, soweit ich das weiß, niemanden mit Autismus. Ich kenne Autismus eben auch nur aus Büchern und aus Filmen. Oft werden die Charaktere so beschrieben - und die Autorin bestätigt das auch noch mal in ihrem Buch - dass sie sich auf ein Gebiet ganz besonders konzentrieren. Daher sind sie darin oft sehr talentiert.
Gus ist ein unglaublich lieber und netter Mensch. Er sieht in jedem Menschen erstmal einen Freund. Er unterscheidet da nicht großartig. Allerdings versteht er schon, wenn jemand bösartige Züge hat. Das ist dann für ihn ein "Schurke" (Vergleiche zieht er da zu bekannten Schurken aus Film und Fernsehen). Aber grundsätzlich grüßt er jeden, unterhält sich mit jedem und ist jedem gegenüber aufgeschlossen.
Er würde sich z.B. auch nicht von Äußerlichkeiten abschrecken lassen. Das spielt für ihn keine Rolle. Während Menschen ohne Autismus sehr wohl vielleicht erstmal auf Oberflächlichkeiten reagieren würden.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Hallo liebe Tanja
AntwortenLöschenDas Buch habe ich mir schon einige Male angeschaut und deine liebenswerte Rezension hat mich definitiv dazu bewogen, es auf meine Wunschliste zu setzen, vielen Dank dafür.
Alles Liebe dir
Livia
Hallo Livia,
Löschenoh, das freut mich sehr, dass meine Rezension deine Neugierde auf das Buch bestärkt hat.
Ich habe die Geschichte von Gus und seiner Familie sehr gerne gelesen. Ich bin sehr gespannt, was du dazu sagen wirst.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Huhu Tanja,
AntwortenLöschendas klingt ja mal toll. Der Titel macht schon neugierig und ich bin erstaunt, was für eine Geschichte dahinter steckt. Das Buch landet sofort auf meiner Wunschliste. :)
Eine echt tolle Rezension, die sehr neugierig macht.
Liebe Grüße
Sunny
Hallo Sunny,
Löschenich war ja überrascht, weil ich gedacht hatte, dass es sich bei dem Buch um eine fiktive Geschichte handelt. Die Autorin schreibt hier aber die Erlebnisse aus ihrem eigenen Leben auf. Ich fand das Buch sehr informativ,sehr interessant und zugleich auch noch sehr unterhaltsam.
Ich finde es hat definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)