Rezension zu Die Endlichkeit des
Augenblicks von Jessica Koch
Verlag:
Rowohlt Seitenzahl: 320
Format: Taschenbuch
Preis: 9,99 Euro
ISBN: 978-3-499-27423-7
Abgeschlossene Erzählung
Inhalt:
Als
Sam im Biergarten den attraktiven Basti erblickt, merkt sie gleich,
dass zwischen ihnen etwas funkt. Ein erster Flirt, das erste
Gespräch. Beim Abschied jedoch bleibt Basti sitzen und steht nicht
auf, um ihr die Hand zu geben oder sie gar zu umarmen. Das, was auf
den ersten Blick unhöflich erscheint, ist seiner Behinderung
geschuldet. Basti ist querschnittsgelähmt und sitzt in einem
Rollstuhl. Sofort überkommen Sam Zweifel: Wäre eine eventuelle
Beziehung nicht voll von Schwierigkeiten, die seine Behinderung
ihnen auferlegt? Doch Sam schiebt diese Zweifel beiseite. Sie trifft
sich erneut mit Basti und muss feststellen, dass das offensichtliche
Handycap nicht der Rollstuhl, sondern eher der beste Freund Josh ist,
der ständig an Bastis Seite auftaucht. Denn Josh steckt voller
Missmut, düsterer Gedanken und innerer Kälte. Er ist depressiv.
Sam begreift bald,
dass sie den einen nicht lieben kann, ohne nicht auch den anderen in
ihr Leben zu lassen.
Schreibstil:
Wer sich von „Die Endlichkeit des
Augenblicks“ eine locker-leichte Liebesgeschichte erhofft, wird
enttäuscht werden. Jessica Koch greift auch in ihrem neuen Roman
eine sehr schwere Thematik auf und geht nicht zimperlich mit ihren
Charakteren um.
Mit Basti lernt der Leser einen sehr
lebensfrohen jungen Mann kennen. Auch, wenn ihm das Schicksal in der
Vergangenheit nicht unbedingt gut gestellt war und ihn an den
Rollstuhl gefesselt hat, lässt er sich nicht unterkriegen. An seiner
Seite befindet sich stets sein bester Freund Josh, der mit einer sehr
schweren Depression zu kämpfen hat. Schuld soll der Unfall sein, den
beide bei einer Mutprobe erlitten haben. Doch auch Joshs familiäres
Umfeld trägt stark dazu bei, dass er aus der seelischen Tiefphase
nicht mehr heraus gelangen kann.
Während Basti sich mit seinem
Schicksal abgefunden hat, ist es Josh, der gedanklich in der
Vergangenheit lebt und dem das Ziel fehlt, um weiterzumachen. Er
redet sich ein, dass er seinen besten Freund bis zu seinem Lebensende
beschützen muss. Vor Verletzungen, nicht nur körperlicher, sondern
auch seelischer Art. Das Mädchen aus dem Biergarten erscheint als
eine Gefahr. Früher oder später wird sie Basti, ob seiner
Behinderung und der damit verbundenen Schwierigkeiten verlassen.
Bald schon werden die Protagonisten,
aber auch der Leser merken, dass sich die zwei besten Freunde oft
selbst im Weg stehen. Das, was sie für den anderen zu tun bereit
sind, schränkt ihre Freiheiten ein. Ihre gegenseitige Aufopferung
lässt keinen Platz für eine dritte Person. Diese Tatsache begreift
auch Samantha. Wenn sie mit Basti zusammen sein will, dann muss sie
Josh an sich heranlassen und der macht es keinem Menschen in seinem
Umfeld wirklich leicht ihn zu mögen.
Joshs Art war mir über die Seiten
hinweg nicht sympathisch. Seine düstere Weltsicht ist gewiss seiner
Depression zuzuschreiben. Einerseits beteuert er, dass er sein Leben
für seinen Freund Basti geben würde und andererseits beschimpft er
ihn aufs übelste. Er hält im seine Behinderung vor und sagt ihm,
dass er niemals eine Freundin bekommen wird, dass er keine Familie
gründen kann. An einem Abend trifft sich Sam mit Basti. Es ist eines
der ersten Dates. Doch plötzlich steht Josh, mal wieder, vor der
Tür. Es ist klar, dass Basti seinen besten Freund nicht der Tür
verweisen kann und Sam weiß, dass sie sich in diesem Moment auch
nicht zwischen die Freunde stellen kann. Josh wäre zu tiefst
beleidigt und hätte das auch mit Worten und vermutlich Konsequenzen
klargemacht. Die Drei verbringen also einen Abend miteinander. Als
Josh nach Hause geht, ahnt er noch nicht, dass Sam länger da bleiben
wird. Am nächsten Tag ist er erzürnt. Man möchte ihn nicht dabei
haben. Man grenzt ihn aus. Basti tut sein bestes, um seinen Freund zu
beschwichtigen.
Dieses Beispiel ist nur eines von
vielen, das aufzeigt, dass das Leben mit Josh alles andere als
einfach ist. Doch über die Seiten hinweg schafft der eh schon sehr
missmutige und nicht gerade fair handelnde Freund sein Verhalten noch
zu eskalieren. Mit seinem Verhalten riskiert er, dass sein „bester
Freund“, für den er Anfangs bekundet hat, sein Leben aufzugeben,
seinen eigenen Platz einnimmt und zusätzlich zu seiner körperlichen
Behinderung auch noch einen seelischen Tiefpunkt erleidet, um selbst
das zu bekommen, was ihn vielleicht retten könnte.
Sam hingegen versucht die Freundschaft
zwischen Josh und Basti zu kitten und erleidet dann eine
Enttäuschung, die ihren guten Willen untergräbt. Ihr guter Wille
erst den einen und schließlich dem anderen zu helfen, sorgt dafür,
dass sie auch stets jemanden verletzen muss. Auch sie handelt in
einigen Situationen stellenweise bewusst zu Bastis Nachteil. Ich habe
Basti bewundert für seine Lebensfreude, die die wichtigsten Menschen
seines Lebens immer wieder zu zerstören drohen, für seinen inneren
Kampf. Sam und vor allen Dingen Josh hingegen habe ich stellenweise
verflucht.
Dieses Buch geht einem nahe, es wühlt
emotional auf.
Wie
auch bei der Danny-Reihe, zeigt die Autorin in ihrem neuen Werk, dass
das Vordergründige hinterfragt werden sollte. Dass nicht immer
alles so ist, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Sie
führt den Leser hinter
den Vorhang und ihm
gefällt in der Regel nicht, was er dort sieht.
Fazit:
Die Endlichkeit des Augenblicks ist alles andere als eine
locker-leichte Lektüre für zwischendurch.
Vielmehr
eine Geschichte, in deren Mittelpunkt eine fatale Ménage-à-trois
rund um die Protagonistin Sam steht. Ein Buch das von
äußeren wie inneren moralische
Grenzerfahrungen
erzählt
und den Begriff Selbstwert hinterfragt.
Es ist nicht leicht das Verhalten der Protagonisten zu verstehen,
geschweige denn zu mögen.
Dieses
Buch ist nichts für zartbesaitete Leser. Eher für die, die
neugierig sind und immer einen zweiten Blick hinter die Beweggründe
eines Menschen werfen wollen. Jessica Koch
kennt die Welt und ihre Abgründe
Sie erzählt aus der Nähe von den Bedingungen des Menschseins und
der Natur des Menschen.
Kurzgefasst:
Spannung/Action:
Liebe:
Charaktere:
Handlungsstrang:
Schreibstil:
Im Gesamtpaket:
Ich
danke dem Verlag herzlich für die Bereitstellung des
Rezensionsexemplars